10 Jahre Grundwasserdatenbank Wasserversorgung, 1 Jahr novellierte SchALVO – eine Bilanz zur Emissions- und zur Immissionsseite

1.1 Einleitung
1.2 Der Emissions - Immissionsansatz
1.3 Die Emissionsseite
1.4 Die Immisionsseite
1.5 Die Erweiterung der Grundwasserdatenbank um Emissionswerte als Voraussetzung für die regionale Umsetzung des Emissions - Immissionsansatzes
1.6 Zusammenfassung und Ausblick

1.1 Einleitung

Die wesentlichen Aufgaben der Grundwasserdatenbank Wasserversorgung (GWD-WV) liegen in der flächendeckenden Qualitätsüberwachung der Grundwasservorkommen, die in Baden-Württemberg für die Trinkwasserversorgung genutzt werden. Seit 10 Jahren werden diese Daten systematisch erfasst, mit der 10-jährigen Zeitreihe sind mittlerweile zuverlässige, immissionsorientierte Trendanalysen möglich und damit ist die GWD-WV gleichzeitig ein Kontrollinstrumentarium der SchALVO (Schutzgebiets- und Ausgleichsverordnung), die mit emissionsorientierten Vorgaben den Grundwasserschutz verbessern will. Dabei betragen die Kosten der GWD-WV gerade einmal 1,4 ‰ des Wasserentnahmeentgelts, das die baden-württembergischen Wasserversorgungsunternehmen zur Finanzierung der SchALVO (und mittlerweile des MEKA II) aufwenden. Die Grundwasserdatenbank Wasserversorgung erlaubt weiterhin eine flächendeckende Wareneingangskontrolle für eine zuverlässige Trinkwasserversorgung in Baden-Württemberg. Darüber hinaus stellen die Wasserversorgungsunternehmen die Daten dem Land für das Grundwasserüberwachungsprogramm Baden-Württemberg kostenfrei zur Verfügung und erbringen damit als einziger Kooperationspartner des Landes die zugesagten Leistungen mit einem Gegenwert von über 500.000 €/a.

Der vorliegende Beitrag zeigt Ergebnisse aus der Analyse der Emissions- und Immissionswerte im Zusammenhang mit der Schutzgebiets- und Ausgleichsverordnung (SchALVO). Die Ergebnisse belegen, wie wichtig es ist, über ein zuverlässiges und umfassendes Kontrollinstrument zur Überwachung des Grundwassers als unsere wichtigste Trinkwasserressource zu verfügen.

 

1.2 Der Emissions - Immissionsansatz

Der Emissions – Immissionsansatz findet sich als wesentliches Element in der europäischen Wasserrahmenrichtlinie (WRRL). Er verbindet die maximal zulässigen, freisetzbaren Stoffmengen über noch akzeptable Konzentrationswerte im Gewässer und kann (etwas verkürzt) mit den Fragen "Wieviel darf rein?" und "Wieviel darf drin sein?" umschrieben werden. Die WRRL greift dies durch die Vorgabe von Immissionszielwerten – Stichwort "guter Zustand und gute Qualität" nach Artikel 4 – sowie durch Anforderungen an die Emissionen bzw. Vorgaben zu deren Begrenzung auf. So gibt Artikel 10 (kombinierter Ansatz für Punktquellen und diffuse Quelle) vor, diffuse Auswirkungen durch die "beste verfügbare Umweltpraxis" zu begrenzen.

Analysiert und vergleicht man die Ergebnisse der Beprobung der Grundwasserdatenbank Wasserversorgung 1992 und 2001 (Abb. 1), so ist festzustellen, dass sich die Situation nicht nennenswert verschlechtert, aber auch nicht verbessert hat. Auffällige Parameter sind nach wie vor der pH-Wert (-> Versauerung), Nitrat, Arsen, Eisen und Mangan, Desethylatrazin und neuerdings
2,6 Dichlorbenzamid. Verbessert hat sich die Situation bei den LHKW.

Abb 1: Ergebnisübersichten zu ausgewählten Parametern 1992 und 2001

Abb. 2: Der Emissions – Immissionsansatz am Beispiel diffuser Einträge

Relevant im Zusammenhang mit der SchALVO sind Nitrat und Pflanzenschutzmittel, da in der SchALVO Regelungen zu deren Emissionsbegrenzung getroffen wurden.

Der wasserwirtschaftlich sinnvolle Ansatz von noch tolerablen oder angestrebten Immissionswerten, d. h. Konzentrationswerten im Grundwasser, zulässige Stoffeinträge abzuleiten, wurde bereits mit Einführung der SchALVO aufgegriffen. Die zulässigen Nmin-Werte wurden – zumindest vom Ansatz her – so festgelegt.

Allerdings werden an diesem Modell sogleich die elementaren Mängel erkennbar, die die SchALVO bis heute nachteilig beeinflussen:

Fazit: Das Emissions-Immissions-Modell funktioniert nur, wenn naturwissenschaftlich belastbare Daten zugrunde gelegt werden. Dies erfordert einerseits eine strenge Regionalisierung ("Belastbarkeit der Standorte") sowie Immissionswerte, die dem Verschlechterungsgebot genügen und das Auffüllen des Grundwassers mit Stoffen bis zum Trinkwassergrenzwert wirksam verhindern. Dies ist in der SchALVO nicht gegeben.

 

1.3 Die Emissionsseite

Seit 1988 werden landesweit die sog. Nmin-Werte bestimmt. Diese Werte können unter Beachtung der genannten Unsicherheiten als Maß für das Auswaschungspotenzial zum Beginn der Grundwasserneubildungsphase aufgefasst werden.

Abb. 3: Nmin-Werte landesweit (1988 – 2001)

Die Analyse der landesweit erhobenen Nmin-Werte zeigt, dass von 1988 bis 1991 das Niveau bei Ø 60 kg N/ha lag und erst mit der 1. SchALVO-Novellierung, insbesondere mit dem Begrünungsgebot ab 1992 das Nmin-Niveau auf 38 kg N/ha gedrückt werden konnte (Abb. 3).

Ein ähnliches Bild ergibt sich, wenn regional differenziert beispielsweise die Nmin-Werte aus Wasserschutzgebieten in Ost-Württemberg (Wasserschutzgebiet für das Egauwasserwerk) herangezogen werden [Abb.4]. Von 1988 – 1991: Ø 68 kg N/ha, von 1992 – 1995: Ø 45 kg N/ha und von 1996 – 1999: Ø 42 kg N/ha. Hier war ab 1992 eine Stabilisierung auf deutlich niedrigerem Niveau eingetreten, die allerdings mit der 2. SchALVO-Novellierung und den 2001er Nmin-Wert unterbrochen wurde.

Ein deutlich uneinheitlicheres Bild ergibt sich für das Wasserschutzgebiet Donauried-Hürbe, das einen deutlich höheren Anteil an problematischen Hauptfrüchten und Sonderkulturen aufweist (Abb.4). Hier ist mit der 1. SchALVO-Novellierung zunächst auch eine Reduzierung auf 75 % (bezogen auf den 4-Jahreszeitraum von 1992 – 1995) aufgetreten, anschließend sind die Nmin-Werte deutlich angestiegen und der günstige 98er-Wert war auf weit überdurchschnittliche Niederschläge bis zur Beprobung zurückzuführen.

Abb. 4: Nmin-Werte der Zonen III der Wasserschutzgebiete der Landeswasserversorgung

Allerdings ist zu beachten, dass Nmin-Daten zur Emissionskontrolle, alleinig auf einen Stichtag bezogen, aufgrund der hohen Variabilität mit Unsicherheiten behaftet sind. Es muss der hydrologische und bewirtschaftungsbedingte Einfluss beachtet werden.

Das viel strapazierte Argument der Landwirtschaft, das Wetter sei (gerade im jeweils laufenden Jahr) schuld an ungünstigen Nmin-Werten, kann auch anders herum betrachtet werden. Das Wetter, insbesondere die Niederschläge, haben den stärksten Einfluss auf die Nmin-Werte, der Einfluss der grundwasserverträglichen Landwirtschaft ist trotz SchALVO gering. Nur dadurch lässt sich das hohe Bestimmtheitsmaß von r2 = 0,75 für die Niederschlags-Nmin-Korrelation erklären.

Abb. 5: November-Nmin-Werte und Niederschlagssummen bis zur Beprobung

Nmin-Werte zur Emissionskontrolle müssen daher immer unter Berücksichtigung der standörtlichen Bedingungen interpretiert werden, die Emissionsgrenzwerte müssen sich an der Belastbarkeit der Standorte orientieren. Die neue SchALVO hat dies mit den "Überwachungswerten" mit einer Unterscheidung in auswaschungsgefährdeten "A-Böden" und "B-Böden" aufgegriffen. Erstmals gibt es auch eine Grenzwertvorgabe für Anmoor- und Niedermoorböden, wobei die "Überwachungswerte" jedoch nur in Problem- und Sanierungsgebieten gelten.

In den "ogL-Gebieten" entfällt der Nmin-Grenzwert und der Anstieg der Werte im Herbst 2001 in den ogL-Gebieten gibt Anlass zur Sorge. Auch sind ein Jahr nach Einführung der neuen SchALVO die Bemühungen um Sanierungspläne für Sanierungsgebiete vielerorts noch in den Startlöchern stecken geblieben, teils aufgrund dirigistischer praxisferner Vorgaben an die regionalen Arbeitsgruppen, teils aus Informations- und know-how-Mangel vor Ort.

Fazit: Es muss festgestellt werden, dass landesweit die Nitrat-Emissionen seit 1992 nicht weiter reduziert werden konnten. Jüngste Ergebnisse deuten darauf hin, dass in den sog. "ogL-Gebieten" wieder mit einem Anstieg zu rechnen ist [vgl. Abb. 4]. Der Emissions- Immissionsansatz der SchALVO ist aufgrund unzutreffender Annahmen nicht zielführend.

 

1.4 Die Immissionsseite

1.4.1 Die Nitratentwicklung im Grundwasser

Für die Analyse der Grundwasserbelastung mit Nitrat bietet es sich zunächst an, den Mittelwert heranzuziehen. Hier wird deutlich, dass in den vergangenen 10 Jahren keine Verbesserung der Nitratbelastungssituation eingetreten ist. Der Mittelwert pendelt um 20 mg/L Nitrat mit ± 0,5 mg/L. Eine verfeinerte Analyse ergibt sich, wenn sog. konsistente Messstellengruppen herangezogen werden, d. h. es sind immer dieselben Messstellen, die zur Mittelwertbildung in einer Gruppe verwendet werden.

Bis zu einer Nitratbelastung in Höhe von 15 mg/L (Bezugsjahr der Klasseneinteilung: 1990) kann von einem Gleichgewicht von Standortbelastbarkeit und Nutzung ausgegangen werden, die Rohwässer sind weitgehend anthropogen unbelastet. Auffällig ist bei diesen Messstellen der Anstieg um 1,1 mg/L bis 1994 und der dann einsetzende Rückgang, der im Jahr 2000 annähernd das Ausgangsniveau von 1990 erreichte.

Abb. 6: Die Entwicklung der Nitratkonzentration der für die Trinkwasserversorgung genutzten Grundwasservorkommen. Daten der GWD-WV (differenziert nach Nitratklassen).

Auch bei den vergleichsweise niedrig belasteten Grundwasservorkommen im Bereich von 15 – 30 mg/L ist ein Anstieg von 21,7 mg/L (1990) auf 24,0 mg/L (1994) festzustellen, der im Wesentlichen auf witterungsbedingte Einflüsse (sehr hohe Neubildung und damit hohe Auswaschung ab Herbst 1993) zurückzuführen sein dürfte. Der Rückgang des Konzentrationspeaks vollzieht sich in 2 Jahren und setzt sich mit Unterbrechungen bis 2000 fort, so dass im Jahr 2000 mit 21,2 mg/L der niedrigste Wert der Messreihe erreicht wurde. Dies deutet darauf hin, dass diese Grundwasservorkommen durch junge Zustromkomponenten stärker beeinflusst werden und eine unterdurchschnittliche mittlere Verweilzeit aufweisen.

Bei den überdurchschnittlich hoch belasteten Grundwasservorkommen im Bereich 30 – 40 mg/L (Mittelwert im Zeitraum 1990 – 2000 : 33,26 mg/L) zeigt sich ebenfalls der Anstieg im Nassjahr 1994 mit einem nachfolgenden Rückgang bis in das Jahr 1999. Die Winterhalbjahre 98/99 und 99/00 mit überdurchschnittlicher Grundwasserneubildung haben anschließend zu dem Anstieg auf aktuell 33,1 mg/L beigetragen.

Am sensibelsten reagieren die hochbelasteten Rohwasserressourcen mit Konzentrationen > 40 mg/L: alleine der Anstieg zum Jahr 1994 liegt bei 4,9 mg/L. Dies deutet darauf hin, dass diese Vorkommen relativ kurze Verweilzeiten aufweisen und in Nassjahren deutlich jüngere Zustromkomponenten den Konzentrationsverlauf beeinflussen. Beunruhigend ist, dass gerade bei diesen Grundwasserressourcen, die eine Wirksamkeit der SchALVO-Maßnahmen somit am schnellsten aufweisen könnten, keinerlei Verbesserungen feststellbar sind. Nicht akzeptabel ist, dass sich die überaus hohe Nitratbelastung in der Klasse > 40 mg/L über 10 Jahre nicht reduziert hat.

Fazit: Die bisherigen SchALVO-Maßnahmen waren somit im Hinblick auf die Nitratbelastung des Grundwassers weitgehend wirkungslos – eine ernüchternde Bilanz im Hinblick auf die rund 1 Milliarde Euro, die an Wasserentnahmeentgelt vom Bürger seit 1988 aufgewendet wurden.

Dies lässt sich auch am Vergleich der relativen Verläufe der Nitratkonzentration der Grundwasservorkommen innerhalb und außerhalb der Wasserschutzgebiete (Basisjahr: 1994 mit 100%) belegen. Hier zeigen die Daten des Grundwasserüberwachungsprogramms Baden-Württemberg, dass sich die Nitratkonzentration seit dem Nassjahr 1994 mit hohen Nitratbelastungen für beide Gruppen in gleichem Umfang verringert haben. Ein signifikant stärkerer Rückgang innerhalb der Wasserschutzgebiete ist nicht feststellbar. Eine immissionsseitige Wirksamkeit der SchALVO-Maßnahmen, die mit nahezu 700 Mio. Euro Transferzahlungen an die Landwirtschaft zum Ausgleich für angeblich einschneidende Grundwasserschutzmaßnahmen "erkauft" wurde, ist ausgeblieben, ein ausgewogenes Verhältnis von Leistung und Gegenleistung fehlt. Im Jahresbericht 2001 der Landesanstalt für Umweltschutz ("Grundwasserüberwachungsprogramm – Ergebnisse der Beprobung 2000) heißt es hierzu: "Es zeigen sich keine statistisch belegbaren Unterschiede bei der Nitratentwicklung im Grundwasser innerhalb und außerhalb von Wasserschutzgebieten. Mit der zum 01.03.2001 novellierten Schutzgebiets- und Ausgleichsverordnung wurden die landwirtschaftlichen Schutzbestimmungen in Wasserschutzgebieten mit hohen Nitratbelastungen des Grundwassers erheblich verstärkt. Ziel ist es, damit die Nitratbelastung des Grundwassers in diesen Gebieten deutlich schneller als bisher zu senken."

Abb. 7: Entwicklung der relativen Nitratkonzentration innerhalb und außerhalb der Wasserschutzgebiete

 

1.4.2 War die Zeit seit Einführung der SchALVO zu kurz, um Auswirkungen im Grundwasser erkennen zu können?

Die bisherigen Analysen deuten darauf hin, dass die Regelungen zur Reduzierung der Nitratbelastung zu unspezifisch (und manchenorts auch zu praxisfern) sind, um im Grundwasser Wirkung zu erzielen. Diesem Argument wird häufig entgegengehalten, die Verweilzeit des Grundwassers sei zu lang, um bereits Verbesserungen zu zeigen. Dass dies nicht zutrifft, geht aus der Analyse des Atrazinkonzentrationsverlaufs hervor.

Abb. 8: Jahresmittelwerte Atrazin und Trendentwicklung (r² = 0,899)

Beim Atrazin, das 1988 mit der SchALVO in Baden-Württemberg verboten wurde, ist seit 1992 ein exponentieller Rückgang zu verzeichnen. In guter Näherung gilt:

mit:

a: = Ausgangskonzentration (z. B. 1992 : 210 ng/L)

T1: = Zeitkonstante (hier 5,4 a) [a]

t: = Zeit [a]

Daraus ergibt sich in grober Näherung eine verdünnungsbedingte mittlere Verweilzeit von = 5,9 Jahren

Aus T1 = 5,4 Jahren ergibt sich weiterhin eine Halbwertszeit von 3,75 Jahren. Wird nun dieser Modellansatz für die Nitratbelastung herangezogen und es ergibt sich folgendes Bild. Der Nmin-Rückgang ab 1992 liegt im Verhältnis zum 4-Jahreszeitraum vorher bei 37,5 %. Seit 1992 sind 11 Jahre vergangen. Der Rückgang der Nitratbelastung müsste sich damit zu

im Grundwasser bemerkbar gemacht haben. Nun ist zu berücksichtigen, dass die landwirtschaftliche Nutzfläche nur etwa 50 % der Gesamtfläche ausmacht und der Acker-Anteil (dem Schwerpunkt der Nmin-Proben) bei ca. 60 % liegt. Somit reduziert sich der erwartbare Rückgang auf 32,6 % * 0,5 *0,6 = 9,8 %.

Damit ist der Rahmen abgesteckt, innerhalb dessen bei dem vorliegenden Rückgang der Nmin-Werte sich überhaupt Verbesserungen im Grundwasser erwarten lassen.

 

1.4.3 Immissionswerte zur Klassifizierung von Wasserschutzgebieten gemäß der neuen SchALVO

Eine entscheidende Neuerung der neuen SchALVO stellt die Einführung von "Problem-" und "Sanierungsgebieten" dar. Die Einstufungskriterien ergeben sich aus der Nitratkonzentration im Grundwasser und sind wie folgt geregelt:

Problemgebiet:
  • Nitratkonzentration > 35 mg/L über die Dauer von zwei Jahren
  oder
 
  • Nitratkonzentration > 25 mg/L + über drei Jahre mittlere jährliche Zunahme um 0,5 m
Sanierungsgebiet:
  • Nitratkonzentration > 50 mg/L über die Dauer von zwei Jahren
  oder
 
  • Nitratkonzentration > 40 mg/L + über drei Jahre mittlere jährliche Zunahme um 0,5 mg/L

Die Einstufung gilt ab dem Folgejahr, in dem die Voraussetzungen erfüllt sind, und endet nach dem Ende des dritten Jahres, in dem die Einstufungsvoraussetzungen nicht mehr gelten.

Abb. 9: Flächen der Sanierungs-, Problem- und ogL-Gebiete in Baden-Württemberg (2001) nach Hektar

Mittlerweile wurden die Wasserschutzgebiete mit der deklaratorischen Liste in Anlage 7 der SchALVO in Problem- und Sanierungsgebiete eingestuft. Dabei ergibt sich folgendes Bild: Der Anteil der Problemgebiete liegt in Baden-Württemberg (WSG-Fläche insgesamt: 820.139 ha) bei 20%, der Sanierungsgebietsanteil bei 7%. Die Abb. 9 zeigt die Absolutanteile, die Abb. 10 die prozentualen Anteile der Problem- und Sanierungsgebiete nach Regierungsbezirken. Daraus resultiert, dass verbindliche SchALVO-Auflagen, die eine Wirkung auf das Grundwasser erwarten lassen, nur noch in 27 % der WSGs in Baden-Württemberg (221.437 ha) gelten.

Abb. 10: Prozentuale Anteile der ogL- und Sanierungsgebiete in Baden-Württemberg nach Regierungsbezirken (2001)

Abb 11: Jahresmittelwerte der Nitratkonzentration in ogL-, Problem- und Sanierungsgebieten

Um die Auswirkungen dieser Regelungen auch hinsichtlich der zeitlichen Entwicklung einschätzen zu können, wurden die Einstufungskriterien auf die Daten der Grundwasserdatenbank Wasserversorgung angewandt und die Rohwassermessstellen in "Problem-" und "Sanierungsgebiete" eingestuft. Wenn die 2. SchALVO-Novellierung Wirkung zeigen soll, muss in den nächsten Jahren zunächst die durchschnittliche Nitratkonzentration der Grundwasservorkommen der Problem- und insbesondere der Sanierungsgebiete deutlich abnehmen [Abb.11], was nachfolgend zu einer Abnahme der Problem- und Sanierungsgebiete insgesamt führen muss. Dies ist das immisionsorientierte Prüfkriterium, das die neue SchALVO erfüllen muss.

Die Einstufungskriterien bedingen, dass in Dreiviertel der Wasserschutzgebiete die SchALVO-Kernauflagen entfallen (ogL-Gebiete). Daher steht zu befürchten, dass, nachdem die SchALVO-Auflagen bislang für eine Verbesserung der Grundwasserqualität nicht ausgereicht haben, deren großflächige Aufhebung den weiteren Anstieg der Nitratkonzentration fördern wird. Daran wird auch der Verweis auf die angeblich gestiegenen Anforderungen einer nach wie vor nicht definierten "ordnungsgemäßen Landwirtschaft" nichts ändern. Die nicht (mehr) kontrollierten und rechtlich unbestimmten Auflagen, beispielsweise der Düngeverordnung, bleiben weit hinter den Anforderungen zurück, die heute auf der Grundlage des vorhandenen Wissens, beispielsweise von der europäischen Wasserrahmenrichtlinie im Rahmen der "besten Umweltpraxis" für einen nachhaltigen Grundwasser- und Ressourcenschutz gefordert werden. Von Bedeutung ist daher auch, wie sich die durchschnittliche Nitratkonzentration in den "ogL"-Gebieten entwickeln wird. Daher ist hier eine weitere konsequente Emissions- und Immissionskontrolle unverzichtbar zur Bewertung der neuen SchALVO und der "ogL".

Ein weiteres Risiko besteht im finanziellen Anreiz, die Schwellenwerte zu erreichen, um in den Genuss der Ausgleichszahlungen zu gelangen. Vor Einführung der neuen SchALVO hat sich die bemerkenswerte Situation ergeben, dass von den Vertretern der Landwirtschaft, die sich bis dato über die "überzogenen" Grundwasserschutzauflagen beklagt hatten, jetzt die Entlassung in "ogL"-Gebiete ohne diese Auflagen (und damit auch ohne Ausgleichszahlungen) kritisiert wurde.

Kritisch hinterleuchtet werden müssen auch die zu erwartenden Auswirkungen der (zu) hohen Schwellenwerte sowie des Trendkriteriums. Es steht zu befürchten, dass der auf "ogL-Niveau" reduzierte Grundwasserschutz dazu führt, dass aus oben genannten Gründen die Immissionswerte ausgeschöpft und die Grundwasservorkommen bis zu diesen Werten aufgefüllt werden, womit eine weitere Verschlechterung einher geht.

Die Anwendung des Trendkriteriums wird bei sensiblen Grundwasservorkommen, die rasch auf Nitrateinträge reagieren, infolge der beständig wechselnden Einstufung (z. B. 3 Jahre Problemgebiet, 3 Jahre "ogL"-Gebiet, 3 Jahre Sanierungsgebiet) in der Praxis zu Akzeptanzproblemen führen und völlig unwirksam bleibt das Trendkriterium (+ 0,5 mg/L und Jahr) bei Grundwasservorkommen, bei denen sich aufgrund ihrer hohen mittleren Verweilzeit der Nitratanstieg langsam (< 0,5 mg/L*a) vollzieht. Diese Ressourcen werden bis zum jeweiligen Schwellenwert aufgefüllt und damit weiterhin nachhaltig geschädigt werden.

1.5 Die Erweiterung der Grundwasserdatenbank um Emissionswerte als Voraussetzung für die regionale Umsetzung des Emissions - Immissionsansatzes

1.5.1 Nur wer das Ziel kennt, kann es auch erreichen - oder wie können Emissionszielwerte gefunden werden?

Anhand der eingangs dargelegten Gründe wird klar, dass der Emissions -Immissionsansatz nur regionalisiert funktionieren kann. Das Ziel besteht darin, belastbare Daten, beispielsweise sog. critical loads d.h. max. tolerable Emissionswerte als Maßstab für eine grundwasserverträgliche Landbewirtschaftung abzuleiten.

Die kleinste Bilanz-Einheit, die in Betracht kommt, ist eine einzelne Lysimeterfläche. Als Beispiel werden Daten einer Anmoor-Acker-Lysimeterfläche aus dem Donauried vorgestellt, um den Emissions-Immissionsansatz zu erläutern. Für diesen Standort existieren seit 1990 Daten zu Niederschlag und Sickerung, zur Sickerwasserkonzentration, zur Fruchtfolge sowie zu den monatlichen Nmin-Werten.

Abb. 12: Niederschlag, Sickerung, Nitratkonzentration im Sickerwasser, Nmin-Werte sowie Nitratfrucht im Sickerwasser und Fruchtfolgen (Daten: "Ackerlysimeter II", ZV Landeswasserversorgung)

Die Auswertung führt auf eine durchschnittliche Sickerwasserkonzentration von 103 mg/L (1991 – 2001) bei durchschnittlichen Nmin-Werten bei Einsetzen der Sickerung von 157 kg N/ha und einer Æ Sickerung von 154 mm. Die genauere Information ergibt sich aus der Nitratfracht von durchschnittlich 45,7 kg N/ha*a, berechnet aus Sickerwasserkonzentration mal Sickerung. Daraus folgt, dass 30 % des Nmin-Potenzials bei Sickerung im Durchschnitt ins Grundwasser gelangen. Ausgehend von einem Immissionszielwert von max. 50 mg/L ergibt dies einen Emissions-Zielwert von 58 kgN/ha, das sind 37 % des bestehenden Nmin-Niveaus.

1.5.2 Ein Fallbeispiel: Spargelanbau im WSG der Energie- und Wasserversorgung Bruchsal

Eine wesentliche Voraussetzung für den nachhaltigen Gewässerschutz besteht in der zuverlässigen Erhebung der Emissionswerte (Nmin-Werte) und deren Verknüpfung mit der Stoffkonzentration im Grundwasser. Wie dies aussehen kann, soll am nachfolgenden Fallbeispiel deutlich werden.

Das Wasserwerk Bruchsal fördert jährlich etwa 2,1 Mio. m³ Grundwasser aus fünf Brunnen mit sowohl land- als auch forstwirtschaftlich genutztem Einzugsgebiet zur Trinkwasserversorgung der Stadt Bruchsal.

Bereits in den Jahren 1984 bis 1987 zeigte sich, dass insbesondere die Spargelflächen im Wasserschutzgebiet zum großen Teil mit stark überhöhten, in Einzelfällen sogar mit extrem hohen Nitratstickstoffgehalten bis in den Bereich um 1.000 kg N/ha (0 – 90 cm) belastet waren, die auf eine weit überhöhte Stickstoffdüngung zurückgeführt werden konnten. Aufgrund der leicht durchlässigen sandigen Böden führte dies zu sehr hohen Nitratgehalten bis 350 mg/L im Grundwasser. Die gesamte Spargelanbaufläche im WSG Bruchsal beträgt rd. 25 ha.

In den Jahren 1988 bis 1992 wurden im Rahmen des Pilotprojektes "Grundwasserschonender Spargelanbau" - vom TZW unter Beteiligung der Energie- und Wasserversorgung Bruchsal GmbH - verschiedene Maßnahmen durchgeführt, wodurch eine deutliche Reduzierung der auswaschungsgefährdeten Nitratstickstoffrestgehalte der Spargelflächen zu Beginn der Hauptauswaschungsperiode von rund 200 kg N/ha bis auf rund 70 kg N/ha (0-90 cm) zum Ende des Pilotprojektes erreicht wurde [Abb. 13]. Hierbei handelte es sich im Wesentlichen um folgende Maßnahmen:

Projektbegleitend erfolgten bei jeder Spargelfläche kulturbegleitende Bodenkontrollen sowie Kontrollen über die gesamte Grundwasserneubildungsperiode. Dies hat in der Folgezeit auch eine deutliche Nitratkonzentrationsabnahme im Grundwasser bewirkt. Bei einer Messstelle unterstrom einer Spargelgemeinschaftsanlage haben die Nitratkonzentrationen zunächst aufgrund der im Rahmen des Projektes durchgeführten Maßnahmen und seit 1995 zusätzlich auch aufgrund von altersbedingten Stilllegungen von Teilen der Spargelgemeinschaftsanlage im oberflächennahen Grundwasser von etwa 300 mg/L im Jahr 1989 bis auf etwa 80 mg/L im Jahr 2001 abgenommen [Abb. 14]. Seit dem Jahr 2001 wird im unmittelbaren Einzugsgebiet der Messstelle nur noch Getreide angebaut.

Abb. 13: Mittlere Nitratstickstoffrestgehalte in kg N/ha für alle Spargelflächen im WSG Bruchsal von 1988 bis 2000 (flächengewichtete Mittelwerte)

Abb. 14: Nitratkonzentrationstiefenprofil einer Emittentenmessstelle in den Jahren 1989, 1995, 2000 und 2001

Die über die gesamte Aquifertiefe gemittelten Nitratkonzentrationen haben seit 1989 um bis zu 8 mg/L*a bei der Emittentenmessstelle unterstrom der ehemaligen Spargelgemeinschaftsanlage abgenommen [Abb. 15].

Abb. 15: Entwicklung der mittleren Nitratkonzentrationen bei der Emittentenmessstelle F11 und bei zwei Messstellenkollektiven seit 1989

 

1.6 Zusammenfassung und Ausblick

Im 14. Jahr nach Einführung der SchALVO in Baden-Württemberg ist immer noch keine statistisch belegbare Verbesserung der Nitratbelastung der für die Trinkwasserversorgung genutzten Grundwasservorkommen zu verzeichnen. Das Land, das 1988 mit dem Anspruch angetreten ist, die Verhältnisse im Grundwasser mit der SchALVO in Ordnung zu bringen, ist nach wie vor weit vom Ziel einer rückläufigen Nitratbelastung des Grundwassers entfernt. Dieser Bringschuld steht einer finanziellen Leistung der Wasserversorgungsunternehmen und der Industrie in Form des "Wasserpfennigs" in Höhe von über 1 Mrd. Euro gegenüber.

Allerdings konnte emissionsseitig das Nmin-Niveau landesweit um etwa 40 % gesenkt werden, so dass die Nitratkonzentration im Grundwasser um 10 % sinken könnte. Dieser positive Effekt wurde, wie die neuesten Nmin-Untersuchungen im 1. Jahr der neuen SchALVO zeigen, durch die Konzeption der neuen SchALVO nicht nur gestoppt, sondern umgedreht. Die Emissionswerte steigen wieder.

Vielerorts sind die Auflagen der SchALVO auch zu unspezifisch, um in den Böden und im Grundwasser Wirksamkeit zu zeigen. Dies betrifft insbesondere Regionen mit einem hohen Anteil an Sonderkulturen oder "schwierigen" Böden, beispielsweise mit hohem Mineralisierungspotenzial oder geringer Feldkapazität. Dass auch hier Erfolge möglich sind, zeigt das Fallbeispiel "Bruchsal". Allerdings besteht ein Konflikt zur novellierten SchALVO, die den richtigen Weg zur Regionalisierung letztlich nicht konsequent genug gegangen ist. Die Untersuchungen zeigen, dass der wasserwirtschaftliche sinnvolle Emissions – Immissionsansatz bei regionaler Betrachtung ("Belastbarkeit der Standorte" und daraus abgeleitete "beste Umweltpraxis") tauglich ist.

Durch ihren Umfang, starre, dirigistische Vorgaben, ungenügende regionale Spielräume stößt die neue SchALVO vielerorts auf Ablehnung. Die Stimmungslage stellt sich wie folgt dar: Die Landwirtschaft klagt über zentralistische Gängelei, gebietsuntaugliche Vorgaben, die Wasserversorger sind der "Strafsteuer" des Wasserentnahmeentgelts und der ineffektiven, zweckentfremdeten Mittelverwendung und des Bezahlens dafür, dass sich nichts ändert, überdrüssig.

Hinzu kommt eine mangelhafte finanzielle Ausstattung. Auch hat die Umschichtung von SchALVO-Geldern in das MEKA nicht nur eine SchALVO-Grundstufe mit Basis-Grundwasserschutz für alle Wasserschutzgebiete verhindert, sondern sich auch als Fehleinschätzung hinsichtlich der "Attraktivität" des MEKA erwiesen. Fakt ist, dass MEKA-Gelder in erheblichem Umfang nicht abgerufen werden. Diese Gelder fehlen dem Grundwasserschutz. Damit wurde weder das Ziel, den Grundwasserschutz zu stärken, noch die Agrarförderung auszubauen erreicht.

Insgesamt bleibt festzustellen, dass ein wirksamer Grundwasserschutz nur mit wirksamen Auflagen erzielt werden kann. Das Beispiel der mittlerweile rückläufigen Atrazin- und Desethylatrazinkonzentrationen belegt, dass Erfolge möglich sind, wenn die wirksamen Maßnahmen, wie 1991 das landesweite Atrazinverbot, flächendeckend ergriffen werden. Daher muss die neue SchALVO enttäuschen, da eine Lockerung der Auflagen in Anbetracht der seit 13 Jahren weitgehend unveränderten Nitratbelastung der Grundwässer ein falsches Signal setzt und die SchALVO damit weit hinter dem Stand des Wissens um einen zukunftsfähigen Grundwasserschutz zurück bleibt. Ein möglicher Ausweg besteht darin, mehr Verantwortung in die regionalen Arbeitsgruppen zu übertragen sowie Lösungen vor Ort zu suchen. Hier bieten sich regionale Kooperationen von Landwirtschaft und Wasserwirtschaft an, die standortangepasste praxistaugliche Grundwasserschutzprogramme vor Ort (fort-) entwickeln und effektiv in eigener Verantwortung umsetzen. Dies wird nur dann funktionieren, wenn die Landwirtschaft den Gewässerschutz als Chance (und auch als finanzielle Chance) erkennt, und den vielerorts noch vorherrschenden hinhaltenden Widerstand gegen den Grundwasserschutz aufgibt. Nur dann kann tatsächlich der strenge ordnungsrechtliche Rahmen gelockert werden und der Kooperationsgedanke entstehen.

Den Rahmen hierfür bilden eine klar definierte ordnungsgemäße Landbewirtschaftung, angemessene Ausgleichszahlungen für darüber hinausgehende Anforderungen und das Selbstverständnis, dass der gut ausgebildete Landwirt bei bester Kenntnis seines Betriebes selbstbestimmt die besten Maßnahmen für den Grundwasserschutz ergreifen kann. Als Kontrollinstrument bieten sich Nmin-Werte sowie betriebsbezogene und betriebstypische N-Salden an. Wie der Landwirt sein gutes Ergebnis erzielt, obliegt seiner unternehmerischen Freiheit. Das Überzeugendste, was die Landwirtschaft hier beitragen kann, sind Erfolge im Grundwasserschutz, die ohne Zwang erzielt wurden.

Dies ist zu flankieren durch die Fortentwicklung regionaler Modelle. Die Zeit ist reif, über diese grundsätzliche Neuausrichtung des Grundwasserschutzes in Baden-Württemberg nachzudenken.


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