Mit der zweiten Novellierung der Schutzgebiets- und Ausgleichsverordnung (SchALVO),
die am 01.03.2001 in Kraft trat, wurden die Wasserschutzgebiete in Baden-Württemberg
in Abhängigkeit vom Nitratgehalt des Grundwassers oder seiner zeitlichen Entwicklung
in drei Kategorien eingestuft: In Nitratsanierungs- und Nitratproblemgebiete
mit speziellen kulturspezifischen Bewirtschaftungsauflagen sowie in Normalgebiete
(„ogL“-Gebiete; ogL = ordnungsgemäße Landwirtschaft), in denen die wesentlichen
Einschränkungen der Landbewirtschaftung durch die frühere SchALVO weitestgehend entfallen sind und nur noch die allgemeinen
Schutzbestimmungen nach § 4 SchALVO gelten
sowie beispielsweise die Düngeverordnung und das Pflanzenschutzgesetz.
Nach
der zweiten Aktualisierung der deklaratorischen Liste in Anlage 7 der SchALVO
vom Dezember 2002 sind in Baden-Württemberg derzeit 169 Wasserschutzgebiete
mit einer Gesamtfläche von rund 55.000 ha als Nitratsanierungsgebiete
und 341 Schutzgebiete mit einer Fläche von ca. 165.000 ha als Nitratproblemgebiete
ausgewiesen. 73 % der Wasserschutzgebietsfläche Baden-Württembergs (etwa 600.000 ha)
sind Normalgebiete.
Im
Rahmen der SchALVO-Herbstkontrollen des Landes, deren Beginn mit der
zweiten SchALVO-Novellierung um zwei Wochen vorverlegt
wurde und die seither im Zeitraum zwischen 15. Oktober und 15. November stattfinden,
wurden im Herbst 2001 die Nitratstickstoffrestgehalte von rund 38.500 Standorten
am Ende der Vegetationszeit erhoben. 93 % der Kontrollflächenstandorte
lagen in Nitratsanierungs- und Nitratproblemgebieten und lediglich 7 %
in Normalgebieten. Im Jahr 2002 betrug die Anzahl der kontrollierten Flächen
rund 40.000.
Parallel
zu den landesweiten Kontrollen führen einige Wasserversorgungsunternehmen
z. T. bereits seit 1986 eigenständige Überwachungsprogramme zur Ermittlung
der Nitratstickstoffrestgehalte von Böden in Zusammenarbeit mit dem Technologiezentrum
Wasser (TZW) Karlsruhe durch. Bei Nitratproblem- und ‑sanierungsgebieten ergänzen diese Untersuchungen die Landeskontrollen.
Im
Folgenden werden anhand vier regionaler Fallbeispiele die Ergebnisse früherer
Jahre aus solchen langjährigen eigenständigen Kontrollprogrammen mit den Nitratstickstoffrestgehalten
der letzten beiden Jahre seit der SchALVO-Novellierung
von 2001 verglichen. Dazu wurden Wasserschutzgebiete aus Nord- und Südbaden
sowie Ostwürttemberg ausgewählt. Bei den Beispielen handelt es sich um drei
Normal- sowie um ein Sanierungsgebiet.1) Diese Programme beinhalten zusätzlich
Mehrfachkontrollen auf ausgewählten Flächen vor und nach dem Herbstkontrolltermin
(Ganglinienflächenprogramme).
1.2.1
Fallbeispiel 1: WSG Härtsfeld / Landeswasserversorgung
Die
Nitratstickstoffgehalte bei der Herbstkontrolle hängen mitunter stark von
den Niederschlagssummen vor der Probenahme ab, was am Beispiel der Schutzzone III des WSG
Härtsfeld gut nachzuvollziehen ist. Dieses Schutzgebiet
ist nach der aktuellen deklaratorischen Liste als Normalgebiet eingestuft.
Die Gegenüberstellung der mittleren Nitratstickstoffrestgehalte seit 1988
und der entsprechenden regionalen Niederschlagssummen für den Zeitraum vor
und während der Probenahme veranschaulicht diese Abhängigkeit (Abbildung 1).
Bei der Herbstkontrolle 1998 führten die sehr hohen Niederschläge von 324 mm
für September und Oktober vor dem Probenahmebeginn
Anfang November zu einem niedrigen mittleren Nitratstickstoffrestgehalt von
nur 23 kg N/ha (0-90 cm). Differenziertere Betrachtungen auswaschungsbereinigter
Nitratstickstoffgehalte mit Berücksichtigung des Bodenwassergehaltes und Modellrechnungen
werden beispielhaft für dieses Kontrolljahr in Abschnitt 1.3 vorgenommen.
Auch
die gegenüber den Vorjahren signifikant niedrigeren Nitratstickstoffrestgehalte
der Kontrollen der Jahre 1992 und 1993 korrespondieren mit hohen Niederschlagssummen
um 200 mm vor der Probenahme für September und Oktober. In den Jahren 1989,
1995 oder 1997 ergaben sich nahezu auswaschungsunbeeinflusste Kontrollergebnisse.
Diesbezüglich wurden von der Landeswasserversorgung schon weitergehende Auswertungen
durchgeführt, aus denen eine deutliche Korrelation zwischen den Nitratstickstoffrestgehalten
und dem Niederschlag vor der Probenahme abgeleitet wurde.2)
Darüber
hinaus sind bei der Entwicklung der Nitratstickstoffrestgehalte nach 1992
insbesondere die positiven Auswirkungen des Begrünungsgebotes zu berücksichtigen,
die je nach vorhandenem Anteil an begrünten Flächen an der Gesamtfläche auch
eine unterschiedlich starke Reduzierung des Gesamtmittelwertes bewirkt haben
können.
Abbildung 1: Gegenüberstellung der Niederschlagssummen
vor und während der Probenahme und mittlere Nitratstickstoffrestgehalte aus
den Bodenkontrollen 1988 bis 2002 in der Schutzzone III des WSG Härtsfeld
(= Normalgebiet)
Das
ungünstige Gesamtergebnis der Herbstkontrolle 2001 kann auf verschiedene klimatische
Effekte in Verbindung mit Bewirtschaftungsmaßnahmen zurückgeführt werden:
- Nur geringe vorzeitige Auswaschungsverluste
vor der Hauptkontrolle wegen des sehr warmen Oktobers 2001 mit nur durchschnittlichen
Niederschlägen und gleichzeitiger Vorverlegung des Kontrollzeitraums
- Durch das nasse Frühjahr 2001 verzögerten
sich die Bodenbearbeitungs- und Düngungsmaßnahmen sowie bei verschiedenen
Sommerfrüchten auch die Aussaat. Die ungünstigen Bedingungen zur Saat ergaben
z. T. schlechte Bestandsdichten, woraus niedrigere Erträge resultierten.
Infolge des nur unvollständig durch den Pflanzenbestand aufgenommenen Stickstoffs
lagen somit bei Hauptfrüchten mit Ertragsdepressionen im Herbst erhöhte Nitratstickstoffgehalte
vor.
- Die günstigen Mineralisierungsbedingungen im
Herbst konnten insbesondere bei bearbeiteten Flächen zu Nitratfreisetzungen
mit der Folge von Erhöhungen des Nitratstickstoffgehaltes führen. Gleichzeitig
lagen damit allerdings auch gute Bedingungen für aufwachsende Begrünungspflanzen
vor. Dies führte in der Regel zu niedrigeren Werten bei Flächen mit Pflanzenbeständen
durch die Stickstoffaufnahme.
-
In Folge der Einstufung
nach SchALVO in die Kategorie Normal- oder „ogL“-Gebiet
ist davon auszugehen, dass teilweise wieder auf frühere, nicht grundwasserschonende
Bewirtschaftungsweisen zurückgegriffen wurde.
Die niedrigen aktuellen Kontrollergebnisse
vom Herbst 2002 dürften in erster Linie auf die hohen Niederschlagssummen
von rund 200 mm im September und Oktober zurückzuführen sein, die zu
frühzeitigen Auswaschungsverlusten vor der Hauptkontrolle führten.
1.2.2 Fallbeispiel
2: WSG Dreisamtal / badenova
AG
Das
Wasserschutzgebiet Dreisamtal am westlichen
Rand des Südschwarzwalds ist geprägt von hohen Jahresniederschlagssummen.
Das langjährige Mittel (1986-2001) liegt bei rund 1070 mm. Nach der aktuellen
deklaratorischen Liste der SchALVO ist es als Normalgebiet
eingestuft.
In
den Jahren 1988 bis 1991 konnten die hohen mittleren Nitratstickstoffrestgehalte
(Abbildung 2) auf den Silomaisanbau zurückgeführt
werden. Dies war Anlass, dort in den Jahren 1992 bis 1995 das Landesdemonstrationsprojekt
„Überbetriebliche Maisflächenbewirtschaftung" durchzuführen, bei dem
für jede Maisfläche schriftliche Düngerichtlinien auf der Basis schlagspezifischer
Bodenuntersuchungen zum 4-Blatt-Stadium nach der „späten Nmin-Messmethode“
erstellt wurden. Hierdurch konnten die mittleren Nitratstickstoffrestgehalte
bei den Maisflächen deutlich reduziert werden. Nicht zuletzt auch Dank flankierender
Maßnahmen, wie z. B. der weiteren Erstellung von Düngerichtlinien für
verschiedene Maisflächen durch die badenova AG war
auch nach Beendigung des Projektes kein Wiederanstieg
der Werte zu beobachten.
Abbildung 2: Gegenüberstellung der Niederschlagssummen
vor und während der Probenahme und der mittleren Nitratstickstoffrestgehalte
für Maisflächen aus den Bodenkontrollen 1988 bis 2002 im WSG Dreisamtal
(= Normalgebiet)
Wie das Ganglinienflächenprogramm
im WSG Dreisamtal zeigte, waren die Böden im Jahr
2001 zu Beginn der Herbstkontrollaktionen weitgehend wassergesättigt. Deshalb
konnte es zu Nitratstickstoffverlagerungen und Teilauswaschungen vor und während
der Kontrollen kommen. Mit Hilfe von Modellrechnungen mit dem numerischen
TZW-Simulationsmodell INVAM (vgl. Abschnitt 1.3)
konnten die hierdurch bedingten Nitratstickstoffverluste vor und während
der Hauptkontrolle auf rund 5 kg N/ha abgeschätzt werden.
Durch
die Einstufung als Normalgebiet sind viele Auflagen entfallen, weshalb ein
erneutes Ansteigen der Nitratstickstoffgehalte zu besorgen ist. Der aktuelle
Kontrollwert 2002 lag um rund 20 kg N/ha über dem Vorjahresergebnis.
Da die Kontrollen noch vor dem Beginn der Starkregenereignisse gegen Ende
Oktober durchgeführt werden konnten, kann ein Einfluss durch frühzeitige Auswaschungsvorgänge
weitgehend ausgeschlossen werden.
1.2.3
Fallbeispiel 3: WSG Hausen / badenova AG
Die
beiden Wasserschutzgebiete Dreisamtal und Hausen
der badenova AG liegen zwar nur rund 20 km voneinander entfernt,
sind aber aufgrund ihrer Geomorphologie und wegen spezieller standörtlicher
Bedingungen differenziert zu betrachten. Das WSG Hausen liegt in der Oberrheinischen
Tiefebene ca. 10 km südlich von Freiburg. Das langjährige Mittel der
Jahresniederschlagssumme (1986-2001) liegt bei rd. 720 mm. Das Gebiet
ist, wie auch das WSG Dreisamtal, nach der aktuellen
deklaratorischen Liste der SchALVO als Normalgebiet
eingestuft.
Abbildung 3: Gegenüberstellung der Niederschlagssummen
vor und während der Probenahme und der mittleren Nitratstickstoffrestgehalte
aus den Bodenkontrollen 1988 bis 2002 im WSG Hausen (= Normalgebiet)
In
den Jahren 1988 bis 1991 wurden hohe mittlere Nitratstickstoffrestgehalte
festgestellt, die aus dem Körnermaisanbau resultieren. Deshalb war das WSG
Hausen in den Jahren 1992 bis 1995 ebenfalls Teil des Landesdemonstrationsprojektes
„Überbetriebliche Maisflächenbewirtschaftung". In Folge der dabei durchgeführten
Maßnahmen konnten wie im WSG Dreisamtal die mittleren
Nitratstickstoffrestgehalte bei den Maisflächen deutlich reduziert werden,
was sich auch in der Entwicklung des Gesamtmittelwertes niederschlug (Abbildung 3).
Zu
Beginn der Herbstkontrollaktionen 2001 war bereits eine weitgehende Wassersättigung
der Böden erreicht. Die dadurch bedingten Nitratstickstoffteilauswaschungen
vor und während der Kontrollen konnten mit Hilfe von Modellrechnungen auf
rd. 5 kg N/ha abgeschätzt werden. Insbesondere die Entwicklung bei
den Spargelflächen hat bei der Herbstkontrolle 2001 die befürchtete Verschlechterung
der Emissionssituation durch die Einstufung als Normalgebiet bestätigt. Dies
ist aus der Entwicklung des Gesamtmittelwertes wegen der Kompensation durch
günstigere Kontrollergebnisse bei den Maisflächen jedoch nicht zu erkennen.
Demgegenüber
wurden im Herbst 2002 für Spargel- und Kartoffelflächen um 15 bis 35 kg N/ha
niedrigere, für Maisflächen um 15 kg N/ha höhere mittlere Nitratstickstoffrestgehalte
festgestellt. Für die Feldsalatflächen resultierte erneut ein sehr hoher Mittelwert
knapp unter 100 kg N/ha. Die hohen Niederschlagssummen vor der
Probenahme führten zu frühzeitigen Auswaschungseffekten. Die prognostizierten
Anstiege der Nitratstickstoffrestgehalte infolge der Einstufung als Normalgebiet
sind deshalb allein auf Grundlage der aktuellen Herbstkontrollaktion für das
WSG Hausen nicht zu belegen.
1.2.4
Fallbeispiel 4: WSG Bruchsal / Energie- und Wasserversorgung Bruchsal GmbH
Im
Rahmen des Pilotprojektes „Grundwasserschonender Spargelanbau“ wurde in den
Jahren 1988 bis 1992 eine deutliche Reduzierung der auswaschungsgefährdeten
Nitratstickstoffrestgehalte der Spargelflächen zu Beginn der Hauptauswaschungsperiode
von rund 200 kg N/ha bis auf rund 70 kg N/ha (0-90 cm)
zum Ende des Pilotprojektes erreicht (Abbildung 4).
Allerdings konnte der mittlere Nitratstickstoffrestgehalt über alle Spargelflächen
seit Ende des Pilotprojektes nicht weiter verringert werden und lag seither
fast jedes Jahr immer noch bei etwa 70 kg N/ha. Das Wasserschutzgebiet
wurde als Nitratsanierungsgebiet eingestuft.
Deutlich
niedrigere Nitratstickstoffgehalte im Boden, wie z. B. in den Jahren
1998 und 2000 sind auf frühzeitige Auswaschungseffekte zurückzuführen. Die
geringen Niederschläge bis zum Kontrolltermin im Herbst 1997 hatten auswaschungsunbeeinflusste
Kontrollergebnisse zur Folge, wodurch sich hohe mittlere Nitratstickstoffrestgehalte
ergaben. Trotz vorzeitiger Auswaschungseffekte ergab sich im Jahr 1996 ein
ähnlich hoher Kontrollwert von 76 kg N/ha, wobei sich besonders
Spargelneuanlagen mit extrem hohen Nitratstickstoffrestgehalten mit Werten
bis rund 200 kg N/ha negativ auswirkten.
Als
Hauptursachen für die immer noch zu hohen mittleren Nitratstickstoffrestgehalte
sind die auf vielen Flächen festgestellte unzureichende Begrünung mit Senf
sowie erhöhte Nitratstickstoffgehalte bei Spargelneuanlagen zu nennen.
Abbildung 4: Gegenüberstellung der Niederschlagssummen
vor und während der Probenahme und der mittleren Nitratstickstoffrestgehalte
aller Spargelflächen aus den Bodenkontrollen 1988 bis 2002 im WSG Bruchsal
(= Nitratsanierungsgebiet)
Im
Jahr 2001 resultierte aus der Herbstkontrolle mit 113 kg N/ha der
höchste mittlere Nitratstickstoffrestgehalt seit 1990 für die Spargelflächen.
Dieses schlechte Ergebnis konnte auf die Summe verschiedener Ursachen zurückgeführt
werden, wie z. B.
- den sehr schlechten Senfbestand (nicht optimale Aussaat,
trockener Sommer, starke Schädigung durch Raupen),
- den frühen Kontrolltermin ab Mitte Oktober 2001 mit vollständig
auswaschungsunbeeinflussten Kontrollergebnissen,
- die N-Düngebemessung nach dem Messprinzip nur auf wenigen
Flächen, vielfach wurde ein zu hoher N-Sollwert für zu hohe Ertragserwartungen
in die Berechnungen der Stickstoffdüngung eingesetzt,
- der Wegfall des Risikoabschlags von 20 % in Wasserschutzgebieten
mit Inkrafttreten der neuen SchALVO.
Zudem
konnten die hohen Nitratstickstoffrestgehalte bei einigen Flächen auf eine
deutlich überhöhte Düngung zurückgeführt werden.
Im
Jahr 2002 lag für die Spargelflächen mit 29 kg N/ha der niedrigste
mittlere Nitratstickstoffrestgehalt seit 1988 vor. Hierfür sind einerseits
verschiedene im Jahr 2002 durchgeführten Maßnahmen,
wie z. B. die Begrünung der Spargelflächen mit Ölrettich statt Senf verantwortlich.
Andererseits deuten die hohen Wassergehalte Anfang Oktober darauf hin, dass
es bereits in den Sommermonaten aufgrund der hohen Niederschlagssummen von
insgesamt rund 220 mm im Juli und August bei den vorliegenden Böden mit geringer
Feldkapazität zu frühzeitigen Auswaschungseffekten vor der Hauptkontrolle
gekommen ist.
1.3
Quantifizierung der Nitratauswaschung
1.3.1
Auswaschung vor und während der Herbstkontrolle
Bestimmungen
der Bodenwassergehalte auf vor der Herbstkontrolle mehrfach untersuchten Flächen
ermöglichen gemeinsam mit regionalen Niederschlagsdaten eine Abschätzung des
Wassersättigungszeitpunktes des Bodens bis zur Feldkapazität. Nur dadurch
kann eine sachgerechte Beurteilung der Nitratstickstoffrestgehalte von Kontrollflächen
am Ende der Vegetationszeit im Hinblick auf Auswaschungseffekte ins Grundwasser
vor der Herbstkontrolle vorgenommen werden.
Hohe
Niederschläge insbesondere im September und Oktober können eine frühzeitige
Wassersättigung der Böden bewirken. Alle darauffolgenden
Niederschläge führen dann bereits vor Beginn der Herbstkontrollen zu erheblichen
Auswaschungsverlusten. Beim Kontrolltermin kann daher ein bedeutender Teil
des am Ende der Vegetationszeit im Boden verbliebenen Nitratstickstoffs bereits
verlagert und ausgewaschen sein. Auch Denitrifikationsvorgänge bei Staunässeverhältnissen infolge
von Starkregenereignissen können zusätzlich zu einer Verminderung der Nitratstickstoffrestgehalte
beitragen.
Durch
Simulationsrechnungen kann ein theoretischer Gebietsmittelwert abgeschätzt
werden, wie er ohne Auswaschungsverluste vorgelegen hätte. Dies wird am Beispiel
des gesamten Kontrollflächenkollektivs der stark durch vorzeitige Auswaschungsverluste
beeinflussten Herbstkontrolle 1998 aus dem Wasserschutzgebiet Härtsfeld (Egau-Wasserwerk) mit
Hilfe des TZW-Modells INVAM demonstriert. Wie das
Ganglinienprogramm zeigte, war die weitgehende Wassersättigung in allen Bodenschichten
1998 bereits Anfang Oktober, also vor Beginn der Hauptkontrollen im November
erreicht.
In
Tabelle 1 werden die Kontrollflächen in Abhängigkeit von den Probenahmeterminen
und den Niederschlagsereignissen in Teilauswertungskollektive differenziert.
Dabei wird zunächst ohne Berücksichtigung von Mineralisierungs- und Denitrifikationseffekten
auf einen theoretischen Wert („Modellprofil“) am 28.10.98 vor dem Starkregenereignis
Ende Oktober 1998 von 34 kg N/ha zurückgerechnet. Der tatsächlich
festgestellte arithmetische Mittelwert lag bei 24 kg N/ha, so dass
die Verluste durch Nitratstickstoffauswaschung während der Kontrollaktion
auf 10 kg N/ha abzuschätzen sind.
Tabelle
1: Flächenkollektive im Gebiet Egau/Härtsfeld
für die inverse INVAM-Rechnung
auf einen theoretischen Zustand am 28.10.98 (mittlere Feldkapazitäten vgl. Tabelle 2)
Flächen- |
Probenahme- |
Relevante |
Mittleres Ausgangsprofil |
Modellprofil |
||||||
in
mm |
0-30 |
30-60 |
60-90 |
0-90 |
0-30 |
30-60 |
60-90 |
0-90 |
||
114 |
02./08.11.98 |
112 |
5 |
8 |
9 |
22 |
10 |
10 |
10 |
30 |
73 |
09./15.11.98 |
148 |
5 |
8 |
10 |
23 |
13 |
10 |
13 |
36 |
19 |
16./20.11.98 |
154 |
8 |
20 |
15 |
43 |
23 |
37 |
1 |
61 |
å 206 |
02.11.-22.11.98 |
112 – 154 |
5 |
9 |
10 |
24 |
12 |
12 |
10 |
34 |
Bei der anschließenden Weiterführung
der inversen INVAM-Rechnung
mit diesem theoretischen Gebietsmittelwert auf ein Ausgangsprofil am 01.10.98,
also zu einem Zeitpunkt gerade zu Beginn der Wassersättigung, ergibt sich
ein auswaschungsbereinigter Gebietsmittelwert von 44 kg N/ha (Tabelle
2). Die reinen Auswaschungsverluste zwischen dem Zeitpunkt der Wassersättigung
und dem Beginn der Kontrollaktion 1998 lassen sich daraus auf zusätzliche
10 kg N/ha abschätzen. Verluste durch Denitrifikation
wurden dabei nicht berücksichtigt.
Tabelle
2: Rückrechnung der theoretischen Gebietsmittelwerte vom 28.10.98 auf einen
auswaschungsbereinigten Zustand am 01.10.98
Unter |
Mittlere |
Relevante |
Mittleres Ausgangsprofil |
Modellprofil |
||||||
0-30/30-60/60-90 |
in
mm |
0-30 |
30-60 |
60-90 |
0-90 |
0-30 |
30-60 |
60-90 |
0-90 |
|
Härtsfeld |
135 / 125 / 115 |
129 |
12 |
12 |
10 |
34 |
28 |
6 |
10 |
44 |
Diese
Modellrechnungen stützen somit die Annahme, dass die bei der Herbstkontrolle
1998 ermittelten Nitratstickstoffrestgehalte erheblich durch Auswaschungsverluste
infolge von hohen Niederschlägen vor und während des Kontrollzeitraumes beeinflusst
waren.
Zur
weitergehenden Beurteilung des Nitratauswaschungspotenzials sind differenzierte
Betrachtungen der Nitratstickstoffentwicklungen über den Herbst-Winter-Zeitraum
notwendig, die in der Praxis beispielsweise mit dem Instrument von Mehrfachkontrollen
auf ausgewählten Flächen in der Auswaschungsperiode (Herbst-Winter-Ganglinien)
ermöglicht werden. In Kombination mit einfachen Modellrechnungen erlauben
diese Untersuchungen eine gute Abschätzung der tatsächlichen Nitratauswaschung.
Diese
Vorgehensweise wird im Folgenden anhand einer Fläche im WSG Härtsfeld
/ Langenau veranschaulicht. Die Abbildung 5
zeigt die Entwicklung der Nitratstickstoffrestgehalte einer Fläche mit
der Fruchtfolge Winterweizen nach Winterraps. Nach der Rapsernte im Jahr 2002
erfolgte die Einsaat von Winterweizen. Bei der ersten Bodenkontrolle dieser
Fläche Anfang Oktober ergab sich bei weitgehender Wassersättigung ein hoher
Nitratstickstoffgehalt von 86 kg N/ha. Zum Zeitpunkt der Herbstkontrolle
am 29.10.02 war dieser Wert bereits auf 57 kg N/ha abgesunken. Danach
nahmen die Nitratstickstoffgehalte bis Mitte Dezember 2002 weiterhin kontinuierlich
auf 31 kg N/ha ab.
Abbildung
5: Entwicklung des Nitratstickstoffgehaltes einer Fläche im WSG Härtsfeld von Oktober bis Dezember 2002
Mit
Hilfe des Simulationsmodells INVAM können unter Einbeziehung von bodenspezifischen
und klimatischen Daten die Nitratauswaschungsverluste für diese Fläche abgeschätzt
werden. Anhand der Abbildung 6 werden die
einzelnen Modellrechnungsschritte erläutert. Zwischen den einzelnen Kontrollterminen
können die Messergebnisse mit der Modellrechnung gut nachvollzogen und damit
sowohl die Profiländerung als auch die Gesamtabnahme des Summenwertes
0‑90 cm mit Nitratverlagerung und Nitratauswaschung erklärt werden.
Gleichzeitig ergeben sich aus der Modellrechnung Hinweise auf Denitrifikationsvorgänge in Folge von Starkregenereignissen,
die zusätzliche Nitratstickstoffverluste bewirkt haben können. Insgesamt betrug
die reine Nitratauswaschung auf dieser Fläche zwischen dem 09.10.2002 und
dem 12.12.2002 rund 40 kg N/ha.
Die
Profiländerung zwischen dem 09.10. und 29.10.2002
zeigt erneut die geringe Aussagekraft eines einzelnen Kontrollwertes: Bereits
vor dem Termin der Hauptkontrolle sind nach der Modellrechnung Nitratstickstoffverluste
durch Auswaschung von etwa 20 kg N/ha aufgetreten. Derartige Effekte
werden bei der Bewertung der Emissionsseite auf Grundlage der SchALVO-Daten
nicht berücksichtigt.
Wenn
die klimatischen und standörtlichen Verhältnisse eine kontinuierlich Auswaschung
vor und während der Herbstkontrollen bedingen, kommt dem tatsächlichen SchALVO-Kontrolltermin
entscheidende Bedeutung zu.
So
hätte sich in obigem Beispiel im SchALVO-Kontrollzeitraum
nach § 3, Nr. 11 vom 15. Oktober bis 15. November theoretisch
ein Kontrollwert zwischen 75 und 45 kg N/ha ergeben können. Die
Bewertung der Ergebnisse nach „alter“ SchALVO mit
einem Kontrollzeitraum vom 2. November bis 15. Dezember nach Anlage 3, Nr.
1.2 wäre auf Basis eines deutlich niedrigeren Nitratstickstoffniveaus erfolgt.
Die
Ergebnisse der Herbstkontrollen in den ausgewählten Wasserschutzgebieten machen
deutlich, dass eine landesweit einheitliche Beurteilung eines etwaigen Trends
der Nitratstickstoffrestgehalte fachlich nicht begründbar ist. Solche Betrachtungsweisen
lassen die Einflüsse regionaler und standortspezifischer Gegebenheiten unberücksichtigt.
Die aufgeführten Fallbeispiele zeigen, dass für eine sachgerechte Bewertung
der Nitratstickstoffgehalte im Herbst zusätzlich Ergebnisse aus Mehrfachkontrollen,
Bodenwassergehalte und regionale Niederschlagsdaten notwendig sind.
In
den Normalgebieten ist davon auszugehen, dass teilweise wieder auf frühere,
nicht grundwasserschonende Bewirtschaftungsweisen
zurückgegriffen wurde, da die SchALVO-Kernauflagen
entfallen sind. Dies wird durch fehlende Kontrollen und die unbestimmten Rechtsbegriffe
der Düngeverordnung noch zusätzlich begünstigt. Für diese Gebiete ist langfristig
eine Verschlechterung der Nitrateintragssituation zu besorgen. In den betrachteten
Beispielgebieten deuten die Kontrollergebnisse vom Herbst 2001 darauf hin,
dass derartige Rückschritte aus Sicht eines nachhaltigen Grundwasserschutzes
bereits eingetreten sind. Dies ist aus der Entwicklung des Gesamtmittelwertes
wegen der Kompensation durch günstigere Kontrollergebnisse bei anderen Kulturen
jedoch nicht immer zu erkennen. Im Jahr 2002 sind die Herbstkontrollergebnisse
aufgrund der sehr hohen Niederschlagssummen vor der Probenahme
meist wesentlich durch frühzeitige Auswaschungseffekte beeinflusst. Daher
sind in den Wasserschutzgebieten Härtsfeld, Hausen
und Bruchsal keine generellen Anstiege der Nitratstickstoffgehalte zu belegen.
Wie das Beispiel WSG Dreisamtal mit angestiegenem
Herbstkontrollwert jedoch zeigt, muss eine Bewertung der Auswirkungen zentraler
Regelungen wie der SchALVO immer regional, bezogen
auf einzelne Wasserschutzgebiete erfolgen.
Während
in den Nitratsanierungs- und Nitratproblemgebieten zur Bewertung der flächenmäßigen
Eintragssituation auch in Zukunft eine umfangreiche Datenbasis zur Verfügung
stehen wird, dürfte eine derartige Beurteilung in den Normalgebieten künftig
nur mit Einschränkungen durchführbar sein, da hier seit Herbst 2001 nur noch
wenige Kontrollen durch das Land erfolgen. Dort sind langjährige Vergleiche
der Nitratauswaschungspotenziale für bestimmte Kulturen oder Fruchtfolgen
nicht mehr möglich. Darüber hinaus können Flächen mit hohen Nitratstickstoffgehalten
nicht mehr identifiziert und offensichtliche Missstände nicht mehr verfolgt
werden.
Eigenständige
Überwachungsprogramme der Wasserversorger sind gerade wegen dieser starken
Reduzierung der Landeskontrollen seit der zweiten SchALVO-Novellierung
insbesondere in Normalgebieten mit Nitratkonzentrationen knapp unterhalb der
Einstufungsgrenze für Problemgebiete von großer Bedeutung. Auch für Gebiete
mit Nitratanstiegen bis 0,4 mg/L pro Jahr, die das Trendkriterium zur
Einstufung als Problemgebiet gerade noch nicht erfüllen („Schwellengebiete“),
könnten solche Programme ein Instrument zur Verbesserung der Nitratsituation
darstellen, das durch die aktuelle SchALVO in dieser
Form nicht gegeben ist.
Dies
darf jedoch nicht bedeuten, dass die Beseitigung dieses offenkundigen Überwachungsdefizits
von den Wasserversorgern getragen werden muss. Hier ist eine Weiterentwicklung
der SchALVO im Sinne eines nachhaltigen, regional ausgerichteten
Grundwasserschutzes zu fordern.
1) Die Autoren danken der badenova AG, Freiburg, der Energie- und Wasserversorgung Bruchsal (EWB) und dem Zweckverband Landeswasserversorgung, Stuttgart, für die Datenfreigabe.
2) HAAKH, F. (2002): 10 Jahre Grundwasserdatenbank Wasserversorgung, 1 Jahr novellierte SchALVO - eine Bilanz zur Emissions- und zur Immissionsseite. In: Grundwasserdatenbank Wasserversorgung, 10. Jahresbericht, Ergebnisse der Beprobung 2001.