Nitratstickstoffrestgehalte von landwirtschaftlich genutzten Böden  Baden Württembergs – Regionale Fallbeispiele und Überlegungen zur Aussagekraft der SchALVO-Herbstkontrollen (Dipl.-Geol. Joachim Kiefer, Dipl.-Geoökol. Sebastian Sturm,  Dipl.-Ing. Thomas Ball)
1.1        Einleitung
1.2        Regionale Fallbeispiele

1.2.1     Fallbeispiel 1: WSG Härtsfeld / Landeswasserversorgung

1.2.2     Fallbeispiel 2: WSG Dreisamtal / badenova AG

1.2.3     Fallbeispiel 3: WSG Hausen / badenova AG

1.2.4     Fallbeispiel 4: WSG Bruchsal / Energie- und Wasserversorgung Bruchsal GmbH

1.3        Quantifizierung der Nitratauswaschung
1.3.1     Auswaschung vor und während der Herbstkontrolle

1.3.2     Abschätzung der Auswaschung über den Herbst-Winter-Zeitraum

1.4        Folgerungen

 

1.1 Einleitung


Mit der zweiten Novellierung der Schutzgebiets- und Ausgleichsverordnung (SchALVO), die am 01.03.2001 in Kraft trat, wurden die Wasserschutzgebiete in Baden-Württemberg in Abhängigkeit vom Nitratgehalt des Grundwassers oder seiner zeitlichen Entwicklung in drei Kategorien eingestuft: In Nitratsanierungs- und Nitratproblemgebiete mit speziellen kulturspezifischen Bewirtschaftungsauflagen sowie in Normalgebiete („ogL“-Gebiete; ogL = ordnungsgemäße Landwirtschaft), in denen die wesentlichen Einschränkungen der Landbewirtschaftung durch die frühere SchALVO weitestgehend entfallen sind und nur noch die allgemeinen Schutzbestimmungen nach § 4 SchALVO gelten sowie beispielsweise die Düngeverordnung und das Pflanzenschutzgesetz.

Nach der zweiten Aktualisierung der deklaratorischen Liste in Anlage 7 der SchALVO vom Dezember 2002 sind in Baden-Württemberg derzeit 169 Wasserschutzgebiete mit einer Gesamtfläche von rund 55.000 ha als Nitratsanierungsgebiete und 341 Schutzgebiete mit einer Fläche von ca. 165.000 ha als Nitratproblemgebiete ausgewiesen. 73 % der Wasserschutzgebietsfläche Baden-Württembergs (etwa 600.000 ha) sind Normalgebiete.

Im Rahmen der SchALVO-Herbstkontrollen des Landes, deren Beginn mit der zweiten SchALVO-Novellierung um zwei Wochen vorverlegt wurde und die seither im Zeitraum zwischen 15. Oktober und 15. November stattfinden, wurden im Herbst 2001 die Nitratstickstoffrestgehalte von rund 38.500 Standorten am Ende der Vegetationszeit erhoben. 93 % der Kontrollflächenstandorte lagen in Nitratsanierungs- und Nitratproblemgebieten und lediglich 7 % in Normalgebieten. Im Jahr 2002 betrug die Anzahl der kontrollierten Flächen rund 40.000.

Parallel zu den landesweiten Kontrollen führen einige Wasserversorgungsunternehmen z. T. bereits seit 1986 eigenständige Überwachungsprogramme zur Ermittlung der Nitratstickstoffrestgehalte von Böden in Zusammenarbeit mit dem Technologiezentrum Wasser (TZW) Karlsruhe durch. Bei Nitratproblem- und ‑sanierungsgebieten ergänzen diese Untersuchungen die Landeskontrollen.

1.2 Regionale Fallbeispiele

Im Folgenden werden anhand vier regionaler Fallbeispiele die Ergebnisse früherer Jahre aus solchen langjährigen eigenständigen Kontrollprogrammen mit den Nitratstickstoffrestgehalten der letzten beiden Jahre seit der SchALVO-Novellierung von 2001 verglichen. Dazu wurden Wasserschutzgebiete aus Nord- und Südbaden sowie Ostwürttemberg ausgewählt. Bei den Beispielen handelt es sich um drei Normal- sowie um ein Sanierungsgebiet.1) Diese Programme beinhalten zusätzlich Mehrfachkontrollen auf ausgewählten Flächen vor und nach dem Herbstkontrolltermin (Ganglinienflächenprogramme).

1.2.1 Fallbeispiel 1: WSG Härtsfeld / Landeswasserversorgung

Die Nitratstickstoffgehalte bei der Herbstkontrolle hängen mitunter stark von den Niederschlagssummen vor der Probenahme ab, was am Beispiel der Schutzzone III des WSG Härtsfeld gut nachzuvollziehen ist. Dieses Schutzgebiet ist nach der aktuellen deklaratorischen Liste als Normalgebiet eingestuft. Die Gegenüberstellung der mittleren Nitratstickstoffrestgehalte seit 1988 und der entsprechenden regionalen Niederschlagssummen für den Zeitraum vor und während der Probenahme veranschaulicht diese Abhängigkeit (Abbildung 1). Bei der Herbstkontrolle 1998 führten die sehr hohen Niederschläge von 324 mm für September und Oktober vor dem Probenahmebeginn Anfang November zu einem niedrigen mittleren Nitratstickstoffrestgehalt von nur 23 kg N/ha (0-90 cm). Differenziertere Betrachtungen auswaschungsbereinigter Nitratstickstoffgehalte mit Berücksichtigung des Bodenwassergehaltes und Modellrechnungen werden beispielhaft für dieses Kontrolljahr in Abschnitt 1.3 vorgenommen.

Auch die gegenüber den Vorjahren signifikant niedrigeren Nitratstickstoffrestgehalte der Kontrollen der Jahre 1992 und 1993 korrespondieren mit hohen Niederschlagssummen um 200 mm vor der Probenahme für September und Oktober. In den Jahren 1989, 1995 oder 1997 ergaben sich nahezu auswaschungsunbeeinflusste Kontrollergebnisse. Diesbezüglich wurden von der Landeswasserversorgung schon weitergehende Auswertungen durchgeführt, aus denen eine deutliche Korrelation zwischen den Nitratstickstoffrestgehalten und dem Niederschlag vor der Probenahme abgeleitet wurde.2)

Darüber hinaus sind bei der Entwicklung der Nitratstickstoffrestgehalte nach 1992 insbesondere die positiven Auswirkungen des Begrünungsgebotes zu berücksichtigen, die je nach vorhandenem Anteil an begrünten Flächen an der Gesamtfläche auch eine unterschiedlich starke Reduzierung des Gesamtmittelwertes bewirkt haben können.

Abbildung 1: Gegenüberstellung der Niederschlagssummen vor und während der Probenahme und mittlere Nitratstickstoffrestgehalte aus den Bodenkontrollen 1988 bis 2002 in der Schutzzone III des WSG Härtsfeld (= Normalgebiet)

Das ungünstige Gesamtergebnis der Herbstkontrolle 2001 kann auf verschiedene klimatische Effekte in Verbindung mit Bewirtschaftungsmaßnahmen zurückgeführt werden:

-    Nur geringe vorzeitige Auswaschungsverluste vor der Hauptkontrolle wegen des sehr warmen Oktobers 2001 mit nur durchschnittlichen Niederschlägen und gleichzeitiger Vorverlegung des Kontrollzeitraums

-    Durch das nasse Frühjahr 2001 verzögerten sich die Bodenbearbeitungs- und Düngungs­maßnahmen sowie bei verschiedenen Sommerfrüchten auch die Aussaat. Die ungünstigen Bedingungen zur Saat ergaben z. T. schlechte Bestandsdichten, woraus niedrigere Erträge resultierten. Infolge des nur unvollständig durch den Pflanzenbestand aufgenommenen Stickstoffs lagen somit bei Hauptfrüchten mit Ertragsdepressionen im Herbst erhöhte Nitratstickstoffgehalte vor.

-   Die günstigen Mineralisierungsbedingungen im Herbst konnten insbesondere bei bearbeiteten Flächen zu Nitratfreisetzungen mit der Folge von Erhöhungen des Nitratstickstoffgehaltes führen. Gleichzeitig lagen damit allerdings auch gute Bedingungen für aufwachsende Begrünungspflanzen vor. Dies führte in der Regel zu niedrigeren Werten bei Flächen mit Pflanzenbeständen durch die Stickstoffaufnahme.

-      In Folge der Einstufung nach SchALVO in die Kategorie Normal- oder „ogL“-Gebiet ist davon auszugehen, dass teilweise wieder auf frühere, nicht grundwasserschonende Bewirtschaftungsweisen zurückgegriffen wurde.

Die niedrigen aktuellen Kontrollergebnisse vom Herbst 2002 dürften in erster Linie auf die hohen Niederschlagssummen von rund 200 mm im September und Oktober zurückzuführen sein, die zu frühzeitigen Auswaschungsverlusten vor der Hauptkontrolle führten.

1.2.2 Fallbeispiel 2: WSG Dreisamtal / badenova AG

Das Wasserschutzgebiet Dreisamtal am westlichen Rand des Südschwarzwalds ist geprägt von hohen Jahresniederschlagssummen. Das langjährige Mittel (1986-2001) liegt bei rund 1070 mm. Nach der aktuellen deklaratorischen Liste der SchALVO ist es als Normalgebiet eingestuft.

In den Jahren 1988 bis 1991 konnten die hohen mittleren Nitratstickstoffrestgehalte (Abbildung 2) auf den Silomaisanbau zurückgeführt werden. Dies war Anlass, dort in den Jahren 1992 bis 1995 das Landesdemonstrationsprojekt „Überbetriebliche Maisflächenbewirtschaftung" durchzuführen, bei dem für jede Maisfläche schriftliche Düngerichtlinien auf der Basis schlagspezifischer Bodenuntersuchungen zum 4-Blatt-Stadium nach der „späten Nmin-Messmethode“ erstellt wurden. Hierdurch konnten die mittleren Nitratstickstoffrestgehalte bei den Maisflächen deutlich reduziert werden. Nicht zuletzt auch Dank flankierender Maßnahmen, wie z. B. der weiteren Erstellung von Düngerichtlinien für verschiedene Maisflächen durch die badenova AG war auch nach Beendigung des Projektes kein Wiederanstieg der Werte zu beobachten.

Abbildung 2: Gegenüberstellung der Niederschlagssummen vor und während der Probenahme und der mittleren Nitratstickstoffrestgehalte für Maisflächen aus den Bodenkontrollen 1988 bis 2002 im WSG Dreisamtal (= Normalgebiet)

Wie das Ganglinienflächenprogramm im WSG Dreisamtal zeigte, waren die Böden im Jahr 2001 zu Beginn der Herbstkontrollaktionen weitgehend wassergesättigt. Deshalb konnte es zu Nitratstickstoffverlagerungen und Teilauswaschungen vor und während der Kontrollen kommen. Mit Hilfe von Modellrechnungen mit dem numerischen TZW-Simulationsmodell INVAM (vgl. Abschnitt 1.3) konnten die hierdurch bedingten Nitrat­stickstoffverluste vor und während der Hauptkontrolle auf rund 5 kg N/ha abgeschätzt werden.

Durch die Einstufung als Normalgebiet sind viele Auflagen entfallen, weshalb ein erneutes Ansteigen der Nitratstickstoffgehalte zu besorgen ist. Der aktuelle Kontrollwert 2002 lag um rund 20 kg N/ha über dem Vorjahresergebnis. Da die Kontrollen noch vor dem Beginn der Starkregenereignisse gegen Ende Oktober durchgeführt werden konnten, kann ein Einfluss durch frühzeitige Auswaschungsvorgänge weitgehend ausgeschlossen werden.

1.2.3 Fallbeispiel 3: WSG Hausen / badenova AG

Die beiden Wasserschutzgebiete Dreisamtal und Hausen der badenova AG liegen zwar nur rund 20 km voneinander entfernt, sind aber aufgrund ihrer Geomorphologie und wegen spezieller standörtlicher Bedingungen differenziert zu betrachten. Das WSG Hausen liegt in der Oberrheinischen Tiefebene ca. 10 km südlich von Freiburg. Das langjährige Mittel der Jahresniederschlagssumme (1986-2001) liegt bei rd. 720 mm. Das Gebiet ist, wie auch das WSG Dreisamtal, nach der aktuellen deklaratorischen Liste der SchALVO als Normalgebiet eingestuft.

Abbildung 3: Gegenüberstellung der Niederschlagssummen vor und während der Probenahme und der mittleren Nitratstickstoffrestgehalte aus den Bodenkontrollen 1988 bis 2002 im WSG Hausen (= Normalgebiet)

In den Jahren 1988 bis 1991 wurden hohe mittlere Nitratstickstoffrestgehalte festgestellt, die aus dem Körnermaisanbau resultieren. Deshalb war das WSG Hausen in den Jahren 1992 bis 1995 ebenfalls Teil des Landesdemonstrationsprojektes „Überbetriebliche Maisflächenbewirtschaftung". In Folge der dabei durchgeführten Maßnahmen konnten wie im WSG Dreisamtal die mittleren Nitratstickstoffrestgehalte bei den Maisflächen deutlich reduziert werden, was sich auch in der Entwicklung des Gesamtmittelwertes niederschlug (Abbildung 3).

Bei langjährigen Vergleichen der Nitratauswaschungspotenziale ist zu beachten, dass die badenova-Kontrolle seit 1994/95 und noch einmal verstärkt seit 1999 nicht mehr entsprechend den Nutzungsanteilen im Wasserschutzgebiet erfolgte, sondern dass der Kontrollschwerpunkt auf Flächen mit aus der Sicht des Grundwasserschutzes problematischen Nutzungen oder Nutzungsfolgen im Schutzgebiet verlagert wurde. Probleme durch hohe Nitratstickstoffrestgehalte bereitet hauptsächlich der Anbau von Feldsalat als letzter Nutzung sowie von Kartoffeln und Spargel. Insbesondere bei den Feldsalatflächen wurden zwischen 1988 und 1995 sehr hohe mittlere Nitratstickstoffrestgehalte zwischen 125 und 235 kg N/ha festgestellt. Seit 1996 liegen die mittleren Nitratstickstoffrestgehalte weitgehend konstant auf einem inakzeptabel hohen Niveau von rd. 100 kg N/ha. Um derartige, mit Hilfe eigener Daten festgestellte, offenkundige Missstände nach SchALVO § 4 Abs. 3 Nr. 3 („Vermeidung von Nitratstickstoffauswaschungen“) beseitigen zu können, verbleibt der badenova AG nur die Möglichkeit der Änderung der bestehenden Schutzgebietsverordnung.

Zu Beginn der Herbstkontrollaktionen 2001 war bereits eine weitgehende Wassersättigung der Böden erreicht. Die dadurch bedingten Nitratstickstoffteilauswaschungen vor und während der Kontrollen konnten mit Hilfe von Modellrechnungen auf rd. 5 kg N/ha abgeschätzt werden. Insbesondere die Entwicklung bei den Spargelflächen hat bei der Herbstkontrolle 2001 die befürchtete Verschlechterung der Emissionssituation durch die Einstufung als Normalgebiet bestätigt. Dies ist aus der Entwicklung des Gesamtmittelwertes wegen der Kompensation durch günstigere Kontrollergebnisse bei den Maisflächen jedoch nicht zu erkennen.

Demgegenüber wurden im Herbst 2002 für Spargel- und Kartoffelflächen um 15 bis 35 kg N/ha niedrigere, für Maisflächen um 15 kg N/ha höhere mittlere Nitratstickstoffrestgehalte festgestellt. Für die Feldsalatflächen resultierte erneut ein sehr hoher Mittelwert knapp unter 100 kg N/ha. Die hohen Niederschlagssummen vor der Probenahme führten zu frühzeitigen Auswaschungseffekten. Die prognostizierten Anstiege der Nitratstickstoffrestgehalte infolge der Einstufung als Normalgebiet sind deshalb allein auf Grundlage der aktuellen Herbstkontrollaktion für das WSG Hausen nicht zu belegen.

1.2.4 Fallbeispiel 4: WSG Bruchsal / Energie- und Wasserversorgung Bruchsal GmbH

Im Rahmen des Pilotprojektes „Grundwasserschonender Spargelanbau“ wurde in den Jahren 1988 bis 1992 eine deutliche Reduzierung der auswaschungsgefährdeten Nitratstickstoffrestgehalte der Spargelflächen zu Beginn der Hauptauswaschungsperiode von rund 200 kg N/ha bis auf rund 70 kg N/ha (0-90 cm) zum Ende des Pilotprojektes erreicht (Abbildung 4). Allerdings konnte der mittlere Nitratstickstoffrestgehalt über alle Spargelflächen seit Ende des Pilotprojektes nicht weiter verringert werden und lag seither fast jedes Jahr immer noch bei etwa 70 kg N/ha. Das Wasserschutzgebiet wurde als Nitratsanierungsgebiet eingestuft.

Deutlich niedrigere Nitratstickstoffgehalte im Boden, wie z. B. in den Jahren 1998 und 2000 sind auf frühzeitige Auswaschungseffekte zurückzuführen. Die geringen Niederschläge bis zum Kontrolltermin im Herbst 1997 hatten auswaschungsunbeeinflusste Kontrollergebnisse zur Folge, wodurch sich hohe mittlere Nitratstickstoffrestgehalte ergaben. Trotz vorzeitiger Auswaschungseffekte ergab sich im Jahr 1996 ein ähnlich hoher Kontrollwert von 76 kg N/ha, wobei sich besonders Spargelneuanlagen mit extrem hohen Nitratstickstoffrestgehalten mit Werten bis rund 200 kg N/ha negativ auswirkten.

Als Hauptursachen für die immer noch zu hohen mittleren Nitratstickstoffrestgehalte sind die auf vielen Flächen festgestellte unzureichende Begrünung mit Senf sowie erhöhte Nitratstickstoffgehalte bei Spargelneuanlagen zu nennen.

Abbildung 4: Gegenüberstellung der Niederschlagssummen vor und während der Probenahme und der mittleren Nitratstickstoffrestgehalte aller Spargelflächen aus den Bodenkontrollen 1988 bis 2002 im WSG Bruchsal (= Nitrat­sanierungsgebiet)

Im Jahr 2001 resultierte aus der Herbstkontrolle mit 113 kg N/ha der höchste mittlere Nitratstickstoffrestgehalt seit 1990 für die Spargelflächen. Dieses schlechte Ergebnis konnte auf die Summe verschiedener Ursachen zurückgeführt werden, wie z. B.

-          den sehr schlechten Senfbestand (nicht optimale Aussaat, trockener Sommer, starke Schädigung durch Raupen),

-          den frühen Kontrolltermin ab Mitte Oktober 2001 mit vollständig auswaschungsunbeeinflussten Kontrollergebnissen,

-          die N-Düngebemessung nach dem Messprinzip nur auf wenigen Flächen, vielfach wurde ein zu hoher N-Sollwert für zu hohe Ertragserwartungen in die Berechnungen der Stickstoffdüngung eingesetzt,

-          der Wegfall des Risikoabschlags von 20 % in Wasserschutzgebieten mit Inkrafttreten der neuen SchALVO.

Zudem konnten die hohen Nitratstickstoffrestgehalte bei einigen Flächen auf eine deutlich überhöhte Düngung zurückgeführt werden.

Im Jahr 2002 lag für die Spargelflächen mit 29 kg N/ha der niedrigste mittlere Nitratstickstoffrestgehalt seit 1988 vor. Hierfür sind einerseits verschiedene im Jahr 2002 durchgeführten Maßnahmen, wie z. B. die Begrünung der Spargelflächen mit Ölrettich statt Senf verantwortlich. Andererseits deuten die hohen Wassergehalte Anfang Oktober darauf hin, dass es bereits in den Sommermonaten aufgrund der hohen Niederschlagssummen von insgesamt rund 220 mm im Juli und August bei den vorliegenden Böden mit geringer Feldkapazität zu frühzeitigen Auswaschungseffekten vor der Hauptkontrolle gekommen ist.

1.3   Quantifizierung der Nitratauswaschung

1.3.1 Auswaschung vor und während der Herbstkontrolle

Bestimmungen der Bodenwassergehalte auf vor der Herbstkontrolle mehrfach untersuchten Flächen ermöglichen gemeinsam mit regionalen Niederschlagsdaten eine Abschätzung des Wassersättigungszeitpunktes des Bodens bis zur Feldkapazität. Nur dadurch kann eine sachgerechte Beurteilung der Nitratstickstoffrestgehalte von Kontrollflächen am Ende der Vegetationszeit im Hinblick auf Auswaschungseffekte ins Grundwasser vor der Herbstkontrolle vorgenommen werden.

Hohe Niederschläge insbesondere im September und Oktober können eine frühzeitige Wassersättigung der Böden bewirken. Alle darauffolgenden Niederschläge führen dann bereits vor Beginn der Herbstkontrollen zu erheblichen Auswaschungsverlusten. Beim Kontrolltermin kann daher ein bedeutender Teil des am Ende der Vegetationszeit im Boden verbliebenen Nitratstickstoffs bereits verlagert und ausgewaschen sein. Auch Denitrifikationsvorgänge bei Staunässeverhältnissen infolge von Starkregenereignissen können zusätzlich zu einer Verminderung der Nitratstickstoffrestgehalte beitragen.

Durch Simulationsrechnungen kann ein theoretischer Gebietsmittelwert abgeschätzt werden, wie er ohne Auswaschungsverluste vorgelegen hätte. Dies wird am Beispiel des gesamten Kontrollflächenkollektivs der stark durch vorzeitige Auswaschungsverluste beeinflussten Herbstkontrolle 1998 aus dem Wasserschutzgebiet Härtsfeld (Egau-Wasserwerk) mit Hilfe des TZW-Modells INVAM demonstriert. Wie das Ganglinienprogramm zeigte, war die weitgehende Wassersättigung in allen Bodenschichten 1998 bereits Anfang Oktober, also vor Beginn der Hauptkontrollen im November erreicht.

In Tabelle 1 werden die Kontrollflächen in Abhängigkeit von den Probenahmeterminen und den Niederschlagsereignissen in Teilauswertungskollektive differenziert. Dabei wird zunächst ohne Berücksichtigung von Mineralisierungs- und Denitrifikationseffekten auf einen theoretischen Wert („Modellprofil“) am 28.10.98 vor dem Starkregenereignis Ende Oktober 1998 von 34 kg N/ha zurückgerechnet. Der tatsächlich festgestellte arithmetische Mittelwert lag bei 24 kg N/ha, so dass die Verluste durch Nitratstickstoffauswaschung während der Kontrollaktion auf 10 kg N/ha abzuschätzen sind.

Tabelle 1: Flächenkollektive im Gebiet Egau/Härtsfeld für die inverse INVAM-Rechnung auf einen theoretischen Zustand am 28.10.98 (mittlere Feldkapazitäten vgl. Tabelle 2)

Flächen-
anzahl

Probenahme-
termin

Relevante
Niederschlags-
menge

Mittleres Ausgangsprofil
(arithmetisch)
kg N/ha

Modellprofil
28.10.98
kg N/ha

in mm

0-30

30-60

60-90

0-90

0-30

30-60

60-90

0-90

114

02./08.11.98

112

5

8

9

22

10

10

10

30

73

09./15.11.98

148

5

8

10

23

13

10

13

36

19

16./20.11.98

154

8

20

15

43

23

37

1

61

å 206

02.11.-22.11.98

112 – 154

5

9

10

24

12

12

10

34

Bei der anschließenden Weiterführung der inversen INVAM-Rechnung mit diesem theoretischen Gebietsmittelwert auf ein Ausgangsprofil am 01.10.98, also zu einem Zeitpunkt gerade zu Beginn der Wassersättigung, ergibt sich ein auswaschungsbereinigter Gebietsmittelwert von 44 kg N/ha (Tabelle 2). Die reinen Auswaschungsverluste zwischen dem Zeitpunkt der Wassersättigung und dem Beginn der Kontrollaktion 1998 lassen sich daraus auf zusätzliche 10 kg N/ha abschätzen. Verluste durch Denitrifikation wurden dabei nicht berücksichtigt.

Tabelle 2: Rückrechnung der theoretischen Gebietsmittelwerte vom 28.10.98 auf einen auswaschungsbereinigten Zustand am 01.10.98

Unter
suchungs-
gebiet

Mittlere
Feldkapazität
in mm

Relevante
Niederschlags-
menge

Mittleres Ausgangsprofil
(theoretisch)
kg N/ha

Modellprofil
01.10.98
kg N/ha

0-30/30-60/60-90

in mm

0-30

30-60

60-90

0-90

0-30

30-60

60-90

0-90

Härtsfeld

135 / 125 / 115

129

12

12

10

34

28

6

10

44

Diese Modellrechnungen stützen somit die Annahme, dass die bei der Herbstkontrolle 1998 ermittelten Nitratstickstoffrestgehalte erheblich durch Auswaschungsverluste infolge von hohen Niederschlägen vor und während des Kontrollzeitraumes beeinflusst waren.

Niedrige Nitratstickstoffrestgehalte bei der Herbstkontrolle belegen somit nicht automatisch eine flächendeckend grundwasserschonende Landbewirtschaftung.

1.3.2 Abschätzung der Auswaschung über den Herbst-Winter-Zeitraum

Zur weitergehenden Beurteilung des Nitratauswaschungspotenzials sind differenzierte Betrachtungen der Nitratstickstoffentwicklungen über den Herbst-Winter-Zeitraum notwendig, die in der Praxis beispielsweise mit dem Instrument von Mehrfachkontrollen auf ausgewählten Flächen in der Auswaschungsperiode (Herbst-Winter-Ganglinien) ermöglicht werden. In Kombination mit einfachen Modell­rechnungen erlauben diese Untersuchungen eine gute Abschätzung der tatsächlichen Nitratauswaschung.

Diese Vorgehensweise wird im Folgenden anhand einer Fläche im WSG Härtsfeld / Langenau veranschaulicht. Die Abbildung 5 zeigt die Entwicklung der Nitratstickstoffrestgehalte einer Fläche mit der Fruchtfolge Winterweizen nach Winterraps. Nach der Rapsernte im Jahr 2002 erfolgte die Einsaat von Winterweizen. Bei der ersten Bodenkontrolle dieser Fläche Anfang Oktober ergab sich bei weitgehender Wassersättigung ein hoher Nitratstickstoffgehalt von 86 kg N/ha. Zum Zeitpunkt der Herbstkontrolle am 29.10.02 war dieser Wert bereits auf 57 kg N/ha abgesunken. Danach nahmen die Nitratstickstoffgehalte bis Mitte Dezember 2002 weiterhin kontinuierlich auf 31 kg N/ha ab.

Abbildung 5: Entwicklung des Nitratstickstoffgehaltes einer Fläche im WSG Härtsfeld von Oktober bis Dezember 2002

Mit Hilfe des Simulationsmodells INVAM können unter Einbeziehung von bodenspezifischen und klimatischen Daten die Nitratauswaschungsverluste für diese Fläche abgeschätzt werden. Anhand der Abbildung 6 werden die einzelnen Modellrechnungsschritte erläutert. Zwischen den einzelnen Kontrollterminen können die Messergebnisse mit der Modellrechnung gut nachvollzogen und damit sowohl die Profiländerung als auch die Gesamtabnahme des Summenwertes 0‑90 cm mit Nitratverlagerung und Nitratauswaschung erklärt werden. Gleichzeitig ergeben sich aus der Modellrechnung Hinweise auf Denitrifikationsvorgänge in Folge von Starkregenereignissen, die zusätzliche Nitratstickstoffverluste bewirkt haben können. Insgesamt betrug die reine Nitratauswaschung auf dieser Fläche zwischen dem 09.10.2002 und dem 12.12.2002 rund 40 kg N/ha.

Die Profiländerung zwischen dem 09.10. und 29.10.2002 zeigt erneut die geringe Aussagekraft eines einzelnen Kontrollwertes: Bereits vor dem Termin der Hauptkontrolle sind nach der Modellrechnung Nitratstickstoffverluste durch Auswaschung von etwa 20 kg N/ha aufgetreten. Derartige Effekte werden bei der Bewertung der Emissionsseite auf Grundlage der SchALVO-Daten nicht berücksichtigt.

Wenn die klimatischen und standörtlichen Verhältnisse eine kontinuierlich Auswaschung vor und während der Herbstkontrollen bedingen, kommt dem tatsächlichen SchALVO-Kontrolltermin entscheidende Bedeutung zu.

So hätte sich in obigem Beispiel im SchALVO-Kontrollzeitraum nach § 3, Nr. 11 vom 15. Oktober bis 15. November theoretisch ein Kontrollwert zwischen 75 und 45 kg N/ha ergeben können. Die Bewertung der Ergebnisse nach „alter“ SchALVO mit einem Kontrollzeitraum vom 2. November bis 15. Dezember nach Anlage 3, Nr. 1.2 wäre auf Basis eines deutlich niedrigeren Nitratstickstoffniveaus erfolgt.

Abbildung 6: Modellrechnungen zur Nitratverlagerung und Nitratauswaschung im Zeitraum Oktober bis Dezember 2002 am Beispiel einer Fläche im WSG Härtsfeld

1.4 Folgerungen

Die Ergebnisse der Herbstkontrollen in den ausgewählten Wasserschutzgebieten machen deutlich, dass eine landesweit einheitliche Beurteilung eines etwaigen Trends der Nitratstickstoffrestgehalte fachlich nicht begründbar ist. Solche Betrachtungsweisen lassen die Einflüsse regionaler und standortspezifischer Gegebenheiten unberücksichtigt. Die aufgeführten Fallbeispiele zeigen, dass für eine sachgerechte Bewertung der Nitratstickstoffgehalte im Herbst zusätzlich Ergebnisse aus Mehrfachkontrollen, Bodenwassergehalte und regionale Niederschlagsdaten notwendig sind.

In den Normalgebieten ist davon auszugehen, dass teilweise wieder auf frühere, nicht grundwasserschonende Bewirtschaftungsweisen zurückgegriffen wurde, da die SchALVO-Kernauflagen entfallen sind. Dies wird durch fehlende Kontrollen und die unbestimmten Rechtsbegriffe der Düngeverordnung noch zusätzlich begünstigt. Für diese Gebiete ist langfristig eine Verschlechterung der Nitrateintragssituation zu besorgen. In den betrachteten Beispielgebieten deuten die Kontrollergebnisse vom Herbst 2001 darauf hin, dass derartige Rückschritte aus Sicht eines nachhaltigen Grundwasserschutzes bereits eingetreten sind. Dies ist aus der Entwicklung des Gesamtmittelwertes wegen der Kompensation durch günstigere Kontrollergebnisse bei anderen Kulturen jedoch nicht immer zu erkennen. Im Jahr 2002 sind die Herbstkontrollergebnisse aufgrund der sehr hohen Niederschlagssummen vor der Probenahme meist wesentlich durch frühzeitige Auswaschungseffekte beeinflusst. Daher sind in den Wasserschutzgebieten Härtsfeld, Hausen und Bruchsal keine generellen Anstiege der Nitratstickstoffgehalte zu belegen. Wie das Beispiel WSG Dreisamtal mit angestiegenem Herbstkontrollwert jedoch zeigt, muss eine Bewertung der Auswirkungen zentraler Regelungen wie der SchALVO immer regional, bezogen auf einzelne Wasserschutzgebiete erfolgen.

Während in den Nitratsanierungs- und Nitratproblemgebieten zur Bewertung der flächenmäßigen Eintragssituation auch in Zukunft eine umfangreiche Datenbasis zur Verfügung stehen wird, dürfte eine derartige Beurteilung in den Normalgebieten künftig nur mit Einschränkungen durchführbar sein, da hier seit Herbst 2001 nur noch wenige Kontrollen durch das Land erfolgen. Dort sind langjährige Vergleiche der Nitratauswaschungspotenziale für bestimmte Kulturen oder Fruchtfolgen nicht mehr möglich. Darüber hinaus können Flächen mit hohen Nitratstickstoffgehalten nicht mehr identifiziert und offensichtliche Missstände nicht mehr verfolgt werden.

Eigenständige Überwachungsprogramme der Wasserversorger sind gerade wegen dieser starken Reduzierung der Landeskontrollen seit der zweiten SchALVO-Novellierung insbesondere in Normalgebieten mit Nitratkonzentrationen knapp unterhalb der Einstufungsgrenze für Problemgebiete von großer Bedeutung. Auch für Gebiete mit Nitratanstiegen bis 0,4 mg/L pro Jahr, die das Trendkriterium zur Einstufung als Problemgebiet gerade noch nicht erfüllen („Schwellengebiete“), könnten solche Programme ein Instrument zur Verbesserung der Nitrat­situation darstellen, das durch die aktuelle SchALVO in dieser Form nicht gegeben ist.

Dies darf jedoch nicht bedeuten, dass die Beseitigung dieses offenkundigen Überwachungsdefizits von den Wasserversorgern getragen werden muss. Hier ist eine Weiterentwicklung der SchALVO im Sinne eines nachhaltigen, regional ausgerichteten Grundwasserschutzes zu fordern.


1)    Die Autoren danken der badenova AG, Freiburg, der Energie- und Wasserversorgung Bruchsal (EWB) und dem Zweckverband Landeswasserversorgung, Stuttgart, für die Datenfreigabe.

2)      HAAKH, F. (2002): 10 Jahre Grundwasserdatenbank Wasserversorgung, 1 Jahr novellierte SchALVO - eine Bilanz zur Emissions- und zur Immissionsseite. In: Grundwasserdatenbank Wasserversorgung, 10. Jahresbericht, Ergebnisse der Beprobung 2001.